Östrogen wird oft als DAS Sexualhormon der Frau betrachtet.
Tatsächlich gibt es über 30 verschiedene Arten von Östrogenen. Die wichtigsten sind:
Wenn wir die Sexualhormone messen und dabei eine Östrogendominanz feststellen, bezieht sich das in den allermeisten Fällen auf das Hormon Estradiol. Estradiol ist Superstar in der Follikelphase, denn es sorgt für Wachstum und Verdickung der Gebärmutterschleimhaut, nachdem diese während der Periode abgeblutet wurde.
Estradiol sorgt außerdem für einen Anstieg von LH, welches wiederum den Eisprung auslöst. Auch nach dem Eisprung unterstützt Östrogen die Vorbereitung der Gebärmutterschleimhaut auf die Einnistung.
Wenn wir von einer Östrogendominanz sprechen, lohnt es sich, genauer hinzuschauen: wir können zwischen einer absoluten und einer relativen Östrogendominanz unterscheiden.
Bei einer absoluten Östrogendominanz kommt es schlichtweg zu zu viel Östrogen im Körper, das heißt, die Werte liegen über dem Referenzbereich des Labors.
Es kann aber auch sein, dass dein Estradiol-Wert im Normbereich liegt, aber im Verhältnis zu Progesteron zu hoch ist. Dann sprechen wir von einer relativen Östrogendominanz, die oft mit einem Progesteronmangel einhergeht.
Es ist also wichtig, sich nicht nur den Estradiolwert isoliert anzuschauen, sondern auch den Progesteronspiegel zu messen und die Werte im Verhältnis zu betrachten, denn sowohl eine relative als auch eine absolute Östrogendominanz machen Symptome und der Estradiolwert alleine ist nicht ausreichend für eine ganzheitliche Diagnostik.
Die Symptome einer absoluten und relativen Östrogendominanz ähneln sich stark. Bei einer relativen Östrogendominanz kommen Symptome eines Progesteronmangels dazu.
Mögliche zyklusbedingte Symptome:
Mögliche Körperliche Symptome bei Östrogendominanz:
Mögliche Psychische Symptome bei Östrogendominanz:
Eine Östrogendominanz kann viele Ursachen haben. Häufig kommen mehrere Faktoren zusammen.
Körperliche Faktoren sind zum Beispiel die Pubertät und die (Prä-)Menopause, denn hier kommt es ganz natürlich zu hormonellen Veränderungen.
Auch nach dem Absetzen einer hormonellen Verhütungsmethode oder unter einer falsch angepassten Hochdosis-Hormontherapie mit Estradiol kann es zu Symptomen einer Östrogendominanz kommen.
Außerdem kann der Abbau von Östrogenen durch einen eingeschränkten Leberstoffwechsel gestört sein, wodurch nicht genug Östrogen ausgeschieden werden kann. Die Ausscheidung von Östrogenen kann auch durch eine Fehlbesiedlung des Darms gestört werden. Der Teil unseres Mikrobioms, der mit unserem Östrogenhaushalt in Verbindung steht, wird als Östrobolom bezeichnet. Kommt es zu einer Störung des Östroboloms, kann Östrogen aus dem Darm “zurückgeholt” werden - es wird also nicht komplett ausgeschieden, sondern “reaktiviert” und steht unserem Körper damit wieder zur Verfügung.
Auch ein hoher Körperfettanteil kann zu einem höheren Östrogenspiegel führen, denn Östrogene werden zu einem Teil in Fettzellen produziert - der weitaus größere Anteil wird aber in den Eierstöcken hergestellt.
Vorerkrankungen wie PCOS oder eine Insulinresistenz können ebenfalls zu einer erhöhten Östrogenproduktion führen.
Neben den körperlichen Ursachen können auch hormonähnliche Substanzen aus unserer Umwelt (=endokrine Disruptoren) zu einer Östrogendominanz beitragen. Diese Stoffe werden oft als Xenohormone bezeichnet und können sich u.a. in Sonnenschutz, Kosmetika, Plastik und als Pestizid auf Lebensmitteln befinden. Auch Wachstumshormone in Fleisch können Östrogene enthalten, ein erhöhter Konsum kann also auch zu einer Östrogendominanz beitragen.
Auch Medikamente können den Hormonhaushalt durcheinander bringen, u.a. bei regelmäßiger Einnahme von Cortison, Psychopharmaka oder Blutdruckmitteln.
Da eine relative Östrogendominanz mit niedrigen Progesteronwerten einhergeht, ist es ratsam auch die Ursachen eines Progesteronmangels zu berücksichtigen.
Wenn du Beschwerden hast und eine Östrogendominanz vermutest, ist es ratsam sich Hilfe zu suchen - z.B. bei:
Der Spezialist*in führt dann neben der Anamnese eine Hormondiagnostik durch. Je nach Beschwerdebild ergibt es Sinn, freie Hormone im Speichel oder freie und gebundene Hormone im Blut zu messen. Der Unterschied dabei?
Gebundene Hormone sind an Proteine im Blut gebunden. In gebundener Form sind die Hormone inaktiv und können ihre Zielzellen nicht direkt beeinflussen. Die Bindung an Proteine hat mehrere wichtige Funktionen, z.B. Transport, Stabilität und Regulation der Hormone.
Freie Hormone sind nicht an Proteine gebunden und daher biologisch aktiv. Diese Hormone können leicht in die Zellen eindringen und an Rezeptoren binden, um ihre spezifischen Wirkungen zu entfalten. Freie Hormone spiegeln die tatsächlich verfügbare Menge eines Hormons wieder, die im Körper aktiv ist. Meist liegen 95-99% der Sexualhormone in gebundener Form vor, die der Körper nicht direkt verwerten kann.
Es kann also sein, dass deine Hormonspiegel im Blut in Ordnung sind, aber du zu viel oder zu wenig freie Hormone zur Verfügung stehen, die zu deinen Symptomen führen.
Bei einem Verdacht der Östrogendominanz sollte auch der Progesteronspiegel getestet werden. Außerdem kann es sinnvoll sein, weitere Laborparameter zu testen, z.B. FSH, LH, Cortisol, Schilddrüsenhormone oder den HOMA Index.
Wann, wie und was für Messungen sinnvoll sind, ist individuell und wird die von der Spezialist*in deines Vertrauens erklärt.
Grundsätzlich sollte sich die Therapie immer nach deinen individuellen Symptomen und Hormonwerten richten. Für einen nachhaltigen Therapieansatz ist es wichtig, sich die Ursachen genauer anzuschauen und den Körper zu unterstützen.
Es gibt aber auch einige Dinge, die wir präventiv unternehmen und auf die wir achten können, um unseren Hormonhaushalt und unser Östrogen zu unterstützen.
Dabei lohnt es sich, genaues Augenmerk auf die Leber und den Darm zu legen, um den Abbau von Östrogenen zu unterstützen.
Außerdem können wir versuchen, die Aufnahme von Toxinen aus der Umwelt zu reduzieren. Konkret bedeutet das:
Es geht dabei nicht darum, alles perfekt zu machen und jegliche Xenohormone zu verbannen, sondern vielmehr darum, einen achtsamen Umgang zu finden und sich bewusst darüber zu sein, was wir konsumieren.
Außerdem - und das kommt für die wenigsten überraschend - ist es enorm wichtig, auf unseren Umgang mit Stress zu achten, genug zu schlafen und sich regelmäßig zu bewegen. Das sind Empfehlungen, die wir alle ständig zu hören bekommen, und - Überraschung- da ist auch wirklich etwas dran.
Unsere Leber arbeitet zum Beispiel am Meisten nachts, ungefähr zwischen 1 und 3 Uhr, also dann, wenn wir eigentlich im Tiefschlaf sind. Um das überschüssige Östrogen abzubauen, ist es wichtig, die Leber durch genug Schlaf zu unterstützen.
Sport regt deinen Stoffwechsel an und hilft, Stress abzubauen. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn dein Progesteron zu niedrig ist, denn da spielt oft Stress mit. Einen gutes Stressmanagement und Zeit für Pausen und Entspannung tut also auch deinen Hormonen gut!
Um deine Symptome schnell zu lindern, kann es auch hilfreich sein, Progesteron zu substituieren wenn das Verhältnis von Progesteron zu Östrogen nicht stimmt. Dabei können verschiedene Medikamente zum Einsatz kommen. Beachte, dass dies lediglich die Symptome behebt und keine ursächliche Therapie ist - es kann also gut sein, dass deine Symptome wieder kommen, wenn du die Hormone absetzt.
Bei der Hormontherapie gibt es außerdem einiges zu beachten, deshalb wende dich an die Ärzt*in oder Heilpraktiker*in deines Vertrauens. Sie kann dir sagen, welcher Therapieansatz für dich am Besten passt.
https://my.clevelandclinic.org/health/diseases/22363-high-estrogen
https://www.va.gov/WHOLEHEALTHLIBRARY/tools/estrogen-dominance.asp